Schlegler belagerten Burg Dilsberg

Geplänkel, Gefechte, Tanz, Gesang
und viel Information rund ums Ritterleben

19. Oktober 2008

Für einen Tag war die Burg Dilsberg fest in Händen der „Schlegler“ aus Heimsheim, die ihr Lager im Burghof aufgeschlagen hatten. Burgvogt Andreas Weber gewährte der facettenreichen Mittelaltergruppe ohne Gegenwehr Einlass, was ihm diese durch ein faszinierendes Spektakel belohnten.
 

Strohballen, Schwenkgrill sowie eine prasselnde Feuerstelle sorgten für ein stimmungsvolles Ambiente. Besucher erhielten einen ebenso informativen wie unterhaltsamen Einblick in das rege Treiben aus vergangenen Rittertagen und wer mutig war, durfte selbst Hand anlegen, die Rüstung überstreifen und zur Waffe greifen.
 

Zunächst schauten die Gäste ein wenig ungläubig ins Burgenrund, verwundert über die farbenprächtig gekleideten Ritter, Schwert- und Stockkämpfer, Bogenschützen, Weibsbilder und Knappen. Ein Lagerleben wie anno dazumal, bei dem es so richtig zur Sache ging.
 

Hitzige Gefechte in Wort und Hieb begeisterten die Betrachter, die sich in sicherem Abstand um die Kampfhähne formierten. Vorsichtigem Herantasten folgte eine wortgewandte verbale Schlacht, dem Ablenkungsmanöver der entscheidende Schlag und am Ende die bange Frage: „Ist der schon wieder tot?“ Doch bei aller Realität, außer ein paar blauen Flecken blieben keine größeren Blessuren zurück.
 

Die homogene familiäre Gruppe aus Heimsheim, in der alle Alterklassen vertreten sind, verbindet eine große Leidenschaft – das Mittelalter. Drei bis vier Mal im Jahr schlagen sie ein großes Lager auf, verzichten auf modernen Komfort und genießen das einfache Leben aus vergangenen Tagen. Ein besonderes Feeling, wenn das ganze auf einer richtigen Burg stattfindet, das ist für die „Schlegler“ wie Urlaub. Dann leben sie in einer anderen Welt, vergessen den alltäglichen Stress und genießen es am Feuer zu sitzen, zu basteln, jonglieren, mit den Kindern zu spielen. Die ganze Familie ist mit dabei und jeder hat seinen eigenen Bereich gefunden.
 

Das historische Schauspiel „Die Könige zu Heimsheim“ anlässlich des 700-jährigen Stadtjubiläums 1995 legte den Grundstein zur Gründung der „Schlegler“. Inzwischen verzeichnet der eingetragene Verein 150 Mitglieder, davon 60 Aktive. In ihrer Heimatgemeinde führen sie vier bis fünf Rittermahle durch, bei denen die Gäste neben einer wohlschmeckenden mittelalterlichen Tafel mit einer Feuershow sowie weiterem attraktivem Spektakulum beglückt werden. Beachtenswert ist das soziale Engagement der Gruppe, die das Thema Mittelalter durch praktische Kenntnisse in Kindergärten und Schulen ebenso wie in Altenheimen näher bringt.
 

Der Kontakt zum Dilsberg entstand wie so oft zufällig. Nach einem Besuch im Heidelberger Schloss, wollte die Truppe einen Abstecher auf den berühmten Berg unternehmen, doch die Burg war an diesem Tag wegen Glatteis geschlossen. So schickte Knappe „Urs amme berge“ eine elektronische Nachricht an den Burgvogt, dass sie vergeblich versucht hatten die Burg einzunehmen.
 

Im zweiten Anlauf, im Rahmen der „KulTour“ der Tourismusgemeinschaft Odenwald e.V. im April diesen Jahres, trotzten sie dem Regen, eroberten den Dilsberg im Sturm und schlossen weitere Besuche nicht aus. Jetzt im dritten Anlauf wurden sie endlich bei strahlendem Sonnenschein empfangen.
 

Begeistert nahmen die Besucher die angebotenen Informationen über Waffen, Kampftechniken und Lebensformen wahr. Die Kämpfer erklärten die Unterschiede zwischen Einhänder, Ritterschwert das mit einer Hand geführt wird, Eineinhalbhänder, das sowohl mit einer als auch zwei Händen anwendbar ist und Bidenhänder, die für den zweihändigen Gebrauch bestimmt sind.
 

Die Schutzkleidung der kämpfenden Ritter mit Gambeson, Kettenhemd und –haube sowie Helm wiegt zwischen 30 und 40 kg, in vollem Ornat die Waffe zu schwingen erfordert eine gehörige Portion an Kondition. Davon konnten sich Interessierte überzeugen und ein Kettenhemd mitsamt restlicher Ausrüstung überstreifen. Da wurden bereits ohne Kampfeinsatz die Knie weich.
 

„Marko vom Zinken“ demonstrierte beeindruckend die Waffe der Bauern, den Stock. Der Stockkampf ist wahnsinnig schnell, da beide Enden zum Einsatz kommen und deshalb ist der Stock auch gegen das Schwert nicht chancenlos. Die Stockkämpfer schlagen mit Vollkontakt und verwenden dazu ein extrem hartes Holz, vorzugsweise Hikori, ein Nussholz aus Nordamerika. Sehr einfühlsam führt er den Nachwuchs an diese Kampftechnik heran. „Nur auf die Augen schauen, den Rest mach ich!“, lautete die Order an Tochter Carmen, die sich bravourös gegen den Vater erprobte und tapfer einen Schlag auf die Finger wegsteckte. „Tut´s weh? Gibt nur Blasen sonst nichts!“ und schon ging es mutig weiter.
 

Am Vormittag zischten die Pfeile der Bogenschützen weit über die Burgmauer hinweg und landeten auf dem Dorfplatz, direkt vorm „Café Pippifax“. Die liebevoll und ganz gleichmäßig selbstgefertigten Pfeile sind aus Sicherheitsgründen mit einem Gummiballon geschützt. Dieser unerwartete Angriff wurde jedoch spätestens beim gemütlichen Nachmittagskaffee und einem köstlichen Kuchenstückchen mit einem Friedensgespräch geschlichtet.
 

Derweil demonstrierte Anka den Umgang mit der Knallpeitsche. Mit elegantem Schwung, ohne ersichtlichen Kraftaufwand ließ sie mittels schneller Bewegungen die Peitsche lautstark knallen. Schwertkampftrainingsleiter „Felix von Baum“ wich sein Knappe „Simon von Klaffstein“ nicht von der Seite. Der jüngste der Truppe wird im nächsten Monat 10 Jahre und ist bereits voller Begeisterung dabei – früh übt sich was ein guter Ritter werden will!
 

Wie vielseitig die „Schlegler“ sind stellten sie bei ihrem Dilsberger Aufenthalt eindrucksvoll unter Beweis, eben noch harter kampferprobter Ritter – Sekunden später, in voller Montur, gefühlvoller Tänzer. Mit bäuerlichen Tänzen in Kreis- und Karreform unterhielten Manns- und Weibsbilder auf schwungvolle Art. Da trauten sich auch die Touristinnen näher und baten zaghaft: “Herr Ritter, dürfen wir ein Foto mit ihnen machen?“ Dieser Bitte wurde ohne Zögern Bereitschaft gezollt, schließlich trifft man nicht alle Tage einen echten Ritter – da muss man schon ein Quäntchen Glück haben und zur rechten Zeit auf der richtigen Burg weilen.
 

boe/bz